Veranstaltung: | 01. Ordentlicher Landesdelegiertenrat 2020 |
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Tagesordnungspunkt: | 4. Schwerpunkt: Flächendeckende Gesundheitsversorgung sichern |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesdelegiertenrat |
Beschlossen am: | 07.03.2020 |
Eingereicht: | 11.03.2020, 15:20 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Flächendeckende Gesundheitsversorgung sichern – die Zukunft braucht neue Ideen!
Beschlusstext
Beschluss des LDR vom 07.03.2020
Das Versprechen gleichwertiger Lebensverhältnisse in unserem Land ist im Bereich
der Versorgung mit Gesundheitsdienstleistungen eine große Aufgabe.
Wir erleben im Moment in Sachsen-Anhalt große Sorge um die Hausarztdichte,
regional unterschiedlich einen Mangel an verfügbaren Pflegeplätzen und
ambulanten Pflegedienstleistern und eine ausgewachsene Klinikkrise. Für BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN ist klar – wenn wir die Versorgung der Menschen im Land auch unter
den Bedingungen des demografischen Wandels dauerhaft sichern wollen, brauchen
wir neue Ideen und kluge Antworten auf diese Herausforderung.
Für folgende Vorhaben setzen wir uns deshalb ein:
- Als Reaktion auf die im Moment krisenhaft erscheinende Situation der
Krankenhäuser im Land soll die Landesregierung unverzüglich einen
Klinikgipfel einberufen. Hier sollen alle Akteure – Träger, Kostenträger,
Patient*innenvertreter*innen, Pflegevertreter*innen, Landkreise, politisch
Verantwortliche – die aktuelle Situation der Kliniken in Sachsen-Anhalt
evaluieren, Sofortmaßnahmen vorschlagen und strategische Vorschläge
entwickeln.
- Die 47 heutigen Krankenhausstandorte in Sachsen-Anhalt sollen als
Standorte für die Gesundheitsversorgung grundsätzlich erhalten bleiben.
Sie sichern Erreichbarkeit im ganzen Land.
Bereiche wie allgemeine internistische Behandlung, allgemeine Pädiatrie,
einfache Notfallversorgung und Geburtshilfe sind für uns als
Basisversorgung für Alle schnell erreichbar notwendig. Dabei wird nicht
mehr jedes Klinikum als Vollversorger fungieren können. Gerade der Abbau
lukrativer Spezialabteilungen wird jedoch den Betrieb von Krankenhäusern
unrentabel machen. Es ist Aufgabe von Politik dort trotzdem die Versorgung
zu sichern. Wir schlagen vor, dafür neue Wege zu gehen und in Verhandlung
mit den Kostenträgern und wo nötig als Modellprojekte neue
Versorgungsformen zu erproben und zu installieren.- Sektorübergreifende Kooperation (ambulant/stationär) kann einerseits
in kleinen Abteilungen ärztliches Fachpersonal sichern, andererseits
dem ambulanten Facharztmangel sinnvoll etwas entgegen setzen. - Kooperation mit Pflegeeinrichtungen kann in Verbindung mit
angestellten Ärzten gerade in der Basisversorgung sinnvoll sein.
Dieser Gedanke ist vor allem vor dem Hintergrund des neuen
Berufsbildes in der Pflege (generalistische Ausbildung)
zukunftsweisend. - Portalkliniken können die Erst- und Notversorgung in der Fläche
sichern. In Kooperation z.B. mit Pflegeeinrichtungen
(Kurzzeitliegeplätze) wären in einfachen Fällen Verlegungen in
größere Häuser sogar unnötig. Portalkliniken können ihr Potential
nur ausspielen, wenn die Kooperation zwischen den Krankenhäusern
ausgebaut und die Digitalisierung vorangetrieben wird. - Die Digitalisierung im Gesundheitsbereich bietet viele Chancen für
eine bessere Verzahnung der Leistungen, für kollegialen Austausch
und bessere Erreichbarkeit für die Patient*innen. Daher braucht es
im Land eine zentrale Schnittstelle für die Weiterentwicklung der
Digitalisierung im Gesundheitsbereich. Wir wollen die Einrichtung
einer landesweite Stelle, die Aktivitäten bündelt, Modellprojekte
anstößt und begleitet und entsprechende technische Kompetenzen
aufbaut, um Akteure im Feld zu beraten. - Der „Hebammengeleite Kreissaal“ ist ein Modell um Geburtshilfe
einerseits durch höhere Attraktivität des Hebammenberufes und
andererseits durch anderen Personaleinsatz zu sichern. Dieses Modell
soll ausgeweitet werden und flächendeckend zum Einsatz kommen. - Beim Wegfall von Spezialbehandlungsplätzen und notwendigen längeren
Rettungs- und Transportwege ist regelmäßig eine Anpassung und
Fortschreibung der Bedarfsplanung im Bereich des luftgebundenen
Rettungsdienstes notwendig.
- Sektorübergreifende Kooperation (ambulant/stationär) kann einerseits
- Das Land Sachsen-Anhalt muss zukünftig seiner Verpflichtung zur
Investitionsfinanzierung in den Kliniken nachkommen. Auch die jahrelange
Unterfinanzierung hat zur strukturellen Destabilisierung der Kliniken im
Land beigetragen. Die Kompensierung aus der Krankenhausfinanzierung der
Träger wird zukünftig schwerer, da seit Beginn des Jahres die
Personalmittel, jahrelang geplanter Puffer, nicht mehr pauschal in den
Abrechnungspauschalen (DRGs) sondern konkret gezahlt werden. Zudem fällt
es Kliniken zunehmend schwer, Investitionen kreditfinanziert zu
realisieren.
Zudem fordern wir die Bundesregierung zu einer Reform des Systems der
Krankenhausfinanzierung auf. Das DRG-System schwächt kleine Standorte mit
Grundversorgung vor allem im ländlichen Raum und im Zwei-Säulen-Modell
sind gerade für strukturschwächere Länder notwendige Investitionen schwer
zu finanzieren.
- Wir wollen, dass ältere Menschen möglichst lange in ihrem Zuhause wohnen
und leben können. Dafür wollen wir die Pflege im Quartier weiter stärken.
Das neu geschaffene Beratungsangebot für die Kommunen zur
Quartiersentwicklung begrüßen wir. Wohnortnahe dezentrale Pflegesettings
sind mit einem Landesaktionsplan zu untersetzen und zu befördern. Damit
beugen wir Pflegebedürftigkeit, unnötigen Krankenhausaufenthalten und
erzwungenen Heimaufenthalten vor. Um Heimeinweisungen nach
Krankenhausaufenthalten zu reduzieren wollen wir die Tagespflege für
Kliniken öffnen. So kann der Übergang vom Krankenhaus in ein Pflegesetting
mit mehr Ruhe und Selbstbestimmung geplant werden.
- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt stehen solidarisch an der Seite der
streikenden Beschäftigten bei AMEOS. Wir fordern die Landesregierung auf,
in jeder geeigneten Form darauf hinzuwirken, dass der Klinikkonzern
soziale und arbeitsrechtliche Standards einhält.
- Wir erwarten vom Land Sachsen-Anhalt, dass es alles unternimmt, die
Landkreise in Wahrnehmung ihrer Aufgabe in der Sicherstellung der
Gesundheitsversorgung bei Seite zu stehen. Dazu gehört auch, gemeinsam
Wege zu finden, kommunale Kliniken zu sichern, wo sie in Schieflage
geraten. Das bedeutet auch, Landkreise bei Überlegungen zur
Rekommunalisierung von Kliniken zu unterstützen.
Wir stehen zur Trägervielfalt in der Gesundheitsversorgung – Grundprinzip
muss aber sein, dass kein Geld aus den Kliniken zu anderen Zwecken
abgeführt wird. Jeder Euro, der aus Land, Bund und den Krankenkassen für
die Gesundheitsversorgung fließt, muss auch für Gesundheitsversorgung
ausgegeben werden.
Wir unterstützen Kooperation und Trägerverbünde.
Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt ist die Sicherung der medizinischen
Versorgung im gesamten Land eine der zentralen gesundheitspolitischen Aufgaben
unserer Zeit. Nur mit einer funktionierenden Gesundheitsversorgung bleibt
Sachsen-Anhalt auch im ländlichen Raum lebenswert.